Voriger Artikel

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 02.03.2006

Nächster Artikel


Bericht wie gedruckt ansehen

Das Bobrennen wurde abgesagt

Die olympischen Spiele von Turin sind gerade erst mit einer pompösen Abschlussfeier zu Ende gegangen. Vor fast genau 50 Jahren endeten auch die Skimeisterschaften in Alterkülz. Winterspiele im Hunsrück? Nein, kein Witz. Zwei Zeitungsberichte in der Hunsrücker Zeitung von Ende Februar und Anfang März 1956 und ein "Kronzeuge" sind die Beweise dafür, dass es diese Skimeisterschaften in Alterkülz tatsächlich gegeben hat. Vier Disziplinen wurden an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen ausgetragen: Skisprung, Abfahrtslauf, Torlauf und Skilanglauf. Eine Woche später sollte als Höhepunkt noch ein Bobrennen stattfinden. Doch zum heißen Kampf im "Eiskanal" kam es nicht mehr: Ein Wetterumschwung ließ Eis und Schnee auf den Hunsrückhöhen schmelzen und beendete die ersten und letzten Winterspiele von Alterkülz vorzeitig.

 Texte: Peter Kuntz  Fotos: Werner Dupuis, privat


Mit einer Startflagge wurden die Skilangläufer vom Gasthaus "Zur Post" in der Alterkülzer Ortsmitte auf den drei Kilometer langen Rundkurs geschickt.


Favoritenstürze auf der Schanze

1956 konkurrierten die Alterkülzer bei Vereinsmeisterschaften in vier Wintersportdisziplinen - Otto Berg war Organisator

Skilifte, Pistenwalzen und Fangzäune - alles das brauchten die Alterkülzer nicht, um vor 50 Jahren ihre ersten Skimeisterschaften im Dorf durchzuführen. Dafür bauten sie eine Sprungschanze und rasten am Dorfeingang auf ihren Holzlatten einen Hügel herunter.

ALTERKÜLZ. Wenn es um Sport im Hunsrück und speziell in den guten alten Zeiten geht, ist einer genau der richtige Ansprechpartner: Otto Berg. Auf den Sportplätzen und in den Hallen des Rhein-Hunsrück-Kreises ist er bekannt wie ein bunter Hund. Früher hat der 76-Jährige kein Spiel des TuS Argenthal verpasst und war Dauergast bei den Heimspielen der Handballer der HSG Kastellaun/Simmern, aber auch auf allen möglichen anderen Sportstätten. Überall, wo es um Punkte oder Pokale ging, stand Otto Berg am Seitenrand. Es kam nicht selten vor, dass sich bei ihm Vereine nach einem geeigneten Trainer für ihre Mannschaft erkundigten. "Einmal hat bei mir ein Vorsitzender angerufen und hat mich nach meiner Meinung über einen Trainer befragt. Wenig später rief der besagte Trainer bei mir an und wollte wissen, wie gut der Verein geführt wird", schmunzelt Otto Berg.

Sport war schon immer ein wichtiger Lebensinhalt des Hunsrückers. Rund 25 Jahre lang hat er selbst Fußball gespielt. In seinem kleinen privaten Museum im Haus und der angrenzenden Scheune hat er kistenweise alte Sportzeitungen und Artikel gesammelt. Nicht nur vom Fußball. Er hat sich immer auch für andere Sportarten interessiert. Zum Beispiel für Wintersport. Was lag da für den Alterkülzer näher, als in seinem Heimatdorf Winterspiele zu organisieren? Zumal der "Külzer Otto", wie ihn alle nennen, schon immer "viel Plane im Kopp" hatte, wie er es selbst in seiner Muttersprache "Hunsrücker Platt" formuliert. Wenn es im Alterkülzer Sportverein etwas zu "managen oder organisieren" gab, hatte Otto Berg die Finger im Spiel. So war es auch im Februar 1956, als der Winter zumindest einige Wochen lang seinem Namen Ehre machte. "Im Winter 1956 hatten wir richtig viel Schnee", erinnert sich der frühere Tiefbauarbeiter und Nebenerwerbslandwirt. Und weil es damals nicht viel Abwechslung auf dem Dorf gab, schnallten sich die jungen Alterkülzer ein paar Bretter unter die Schuhe.

Über Beziehungen hatten sie sich im Dorf aus alten Wehrmachtsbeständen einige Paar Ski organisiert, mit einfachen Riemen, um die Schuhe daran festzubinden. "Unser Hauptskigebiet war die Schmelz am Ortseingang", kramt Berg in seinen Erinnerungen. "Wenn die Bahn glatt gefahren war, ist man in dem Hang ganz schön schnell geworden", berichtet Berg.

Der Februar 1956 war bitterkalt, auf dem Rhein türmten sich die Eisplatten und auf der Hunsrückhöhe lag reichlich Schnee. Ideale Wintersportbedingungen und die richtigen Voraussetzungen, um die ersten Skisport-Vereinsmeisterschaften des SV Alterkülz auszuschreiben. "Cheforganisator" war - natürlich Otto Berg.

Am ersten Wettkampfwochenende standen Skisprung und Torlauf auf dem Programm. Unter der Woche schob die Alterkülzer Dorfjugend Schnee zusammen und formte ihn zu einer Sprungschanze. Den Schanzentisch begossen sie mit Wasser, das in den kalten Nächten zu Eis fror und für die nötige Härte sorgte. 37 Teilnehmer, so schrieb die Hunsrücker Zeitung damals, gingen am ersten Wochenende an den Start. "Beim Sprunglauf gab es zahlreiche Stürze, denen auch der Favorit H. D. Mayer zum Opfer fiel", heißt es in dem Artikel weiter. "Das war aber alles ziemlich harmlos. Niemand hat sich etwas gebrochen", stellt Otto Berg klar.

Unten am Aufsprunghügel stand der "Organisator" mit einem Maßband und ermittelte die Sprungweiten. Immerhin: Vereinsmeister Otto Wendling sprang in zwei Durchgängen 14,30 und 13,90 Meter weit. Anschließend ging es zum Torlauf durch zwölf Slalomstangen. Gustav Berg, so stand es in der Zeitung, siegte in 49,2 Sekunden. "Wir hatten zwar Stoppuhren mit Zehntelsekunden-Anzeige, und wenn oben der Starter mit der Fahne gewunken hat, hat der Zeitnehmer unten auf die Uhr gedrückt. Aber ganz exakt war das damals natürlich nicht", weiß Otto Berg.

Das musste es auch nicht sein. Zwar nahmen die jungen Alterkülzer den Wettbewerb ernst. Aber die Gemeinschaft war viel wichtiger als die Siegprämie von einem Päckchen Kekse, das anschließend bei der Siegerehrung im Gasthaus "Zur Post" an die Besten und Schnellsten verteilt wurde.

Sportler und Zuschauer hatten so viel Spaß an ihren Winterspielen, dass sie für den nächsten Sonntag zwei weitere Disziplinen ansetzten: den Abfahrts- und den Langlauf. Start und Ziel für den Skilanglauf war das Gasthaus in der Ortsmitte. Drei Kilometer mussten auf dem Rundkurs quer durch das Dorf gelaufen werden. Und zwar mit den gleichen Skiern, die zuvor schon als Sprunglatten und Slalombretter herhalten mussten. Schnellster Langläufer war Erich Peuter, der nach 16 Minuten und 12,4 Sekunden wieder das Gasthaus erreichte. Otto Wendling, der "Adler von Alterkülz", kam mit geliehenen Skiern auf den dritten Platz. Hätte es so etwas wie einen Gesamtsieg gegeben, er wäre nicht zu schlagen gewesen, denn im Abfahrtslauf belegte er hinter dem wieder genesenen "Sprunglauf-Favoriten" H. D. Mayer Platz zwei.

Die "Bobmeisterschaften" eine weitere Woche später hätten ein weiterer Höhepunkt der Alterkülzer Winterspiele werden sollen. Und wer weiß, was den Alterkülzern noch alles an Wintersportdisziplinen eingefallen wäre, wenn nicht Ende Februar plötzlich eine Wärmeeinbruch die weiße Pracht auf den Hunsrückhöhen hätte schmelzen lassen.

"Für die Bobmeisterschaften hätten wir ein paar Schlitten umgebaut und verkleidet und wären unsere Rodelbahn runtergerauscht", beantwortet Otto Berg ungläubige Fragen, ob die Dorfjugend nach der Schanze auch einen "Eiskanal" gebaut hätte.

Die plötzliche Schneeschmelze beendete die Skimeisterschaften aber vorzeitig und ließ sie auch zu einer einmaligen Angelegenheit werden. Nach 1956 gab es nie wieder Skimeisterschaften in Alterkülz - weil es in den folgenden Jahren nicht mehr so viel Schnee gab und weil niemand da war, der noch einmal so "viel Plane im Kopp" gehabt hätte wie Otto Berg.



In der Scheune neben seinem Wohnhaus hat Otto Berg ein richtiges kleines Museum eingerichtet: Hier hat er alte landwirtschaftliche Geräte, aber auch Utensilien aus dem Zweiten Weltkrieg und jede Menge alte Zeitungen, Zeitschriften und Artikel-Kopien. Seit 1960 hat er außerdem täglich Aufzeichnungen über das Wetter festgehalten.



Die Dorfstraße als Langlaufloipe: Spuren mussten sich die Teilnehmer ihre Bahn aber selbst. Hier liefern sich der damals 21-jährige Otto Wendling (vorne) und Gustav Thieser, der in der Jugendklasse an den Start ging, in der Ortsmitte einen packenden Zweikampf.



Skisport erobert Hunsrückdörfer

Zeitungsbericht vom 21. Februar 1956

Der erste Bericht in der Hunsrücker Zeitung über die Alterkülzer Skimeisterschaften, der am 21. Februar 1956 erschien:

ALTERKÜLZ. Am vergangenen Sonntag fanden bei herrlichem Winterwetter die Vereinsskimeisterschaften statt. Welcher Popularität sich der Skisport in den Hunsrückdörfern erfreut, zeigte sich daran, daß 37 Teilnehmer am Start erschienen. Durchgeführt wurden 2 Konkurrenzen, der Sprunglauf und der Torlauf. Beim Sprunglauf gab es zahlreiche Stürze, denen auch der Favorit H.D. Mayer zum Opfer fiel. Auf der kleinen Sprungschanze, welche die Dorfjugend in der vergangenen Woche errichtet hatte, wurde der Torwart der 1. Fußballmannschaft, Otto Wendling, mit Sprüngen von 14,30 m und 13,90 m Vereinsmeister. Die weiteren Sieger: 2. Berg Gustav 13,70 und 13,20 m; 3. Peuter Richard 13,50 und 13,30 m; 4. Böhm Horst 13,00 und 13,20 m; 5. Schneider Horst 13,60 und 12,20 m.

Anschließend wurde der Torlauf durchgeführt, bei dem 12 Tore zu durchfahren waren. Bei dieser Konkurrenz siegte Gustav Berg in 49,2 Sek.; 2. Erich Peuter 50,4 Sek.; 3. Peuter Kurt 50,5 Sek.; 4. Schneider Horst 51,00; 5. Helmut Ulrich 52,3.

Da diese Veranstaltung ein voller Erfolg war, wird der Verein voraussichtlich am kommenden Sonntag die Langlaufmeisterschaften durchführen.



Skimeisterschaft des SV Alterkülz

Favoriten strauchelten - Viele Zuschauer

In der Ausgabe vom 2. März 1956 erschien der zweite Bericht in der Hunsrücker Zeitung über die Winterspiele in Alterkülz:

ALTERKÜLZ. Am Sonntag fanden die Ski-Langlauf- und Abfahrtslaufmeisterschaften des Sportvereins statt. Bei herrlichstem Winterwetter und besten Schneeverhältnissen stellte sich eine sehr große Anzahl Läufer zum Start. Auch diesmal konnten sich die Favoriten nicht durchsetzen, sie landeten erst auf den mittleren Plätzen. Sieger wurde im 3 km-Langlauf Erich Peuter in 16 Min. 12,4 sek; 2. Gustav Berg 16 Min. 12,4 sek.; 3. Otto Wendling 17 Min. 44,2 sek.

Im Abfahrtslauf, bei dem es auch zahlreiche Stürze gab, konnten sich placieren: 1. HD Mayer 29,0 sek.; 2. Otto Wendling 29,5 sek.; 3. Gustav Berg 30,2 sek.

Auch die Jugend nahm an beiden Wettbewerben teil. Die Ergebnisse waren folgende: 3 km-Langlauf: 1. H. Böhm 17 Min. 24,1 sek.; 2. G. Thieser 17 Min. 39,4 sek.; 3. K. Bast 21 Min. 3,1 sek. Abfahrtslauf: 1. G. Thieser 30,1 sek.; 2. H. Böhm 31,4 sek.; K. Peuter 34,4 sek. An die Sieger wurden schöne Preise verteilt.

Alles in allem kann gesagt werden, daß diese Veranstaltung sehr großen Anklang gefunden hat, was auch durch die sehr große Zuschauerzahl zum Ausdruck kam. Sollten die Schneeverhältnisse es gestatten, finden am kommenden Sonntag die Bobmeisterschaften statt.


Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 02.03.2006, Seite 14.

Zum SeitenanfangZum Seitenanfang